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1. Kampf um Wasser
Der Kampf um Wasser ist ein zentraler Gerechtigkeitskonflikt des 21. Jahrhunderts. In vielen Regionen wird Wasser knapp. Wer die Grammatik der Wasserkonflikte begreifen will, muss regional differenzieren, „virtuelles Wasser“ einbeziehen sowie die Ambivalenz von Knappheit und Überflutung berücksichtigen. Mit der Veränderung des Wasserhaushalts der Erde, insbesondere durch den Klimawandel sowie durch die Ausbreitung landwirtschaftlicher Plantagen in ariden Zonen, verbinden sich zentrale Überlebens‐ und Gerechtigkeitskonflikte im 21. Jahrhundert. Verteilungskonflikte an den über 200 grenzüberschreitenden Gewässern nehmen zu. Zugleich kann die Kooperation in Bezug auf die existentielle Ressource Wasser aber auch Vertrauen und somit Frieden zwischen Staaten fördern. Wasser kann somit Quelle von Konflikten, aber auch Quelle des Friedens sein. Die viel beschworene, glücklicherweise bisher empirisch nicht nachweisbare, Theorie der Wasserkriege ist nicht zwangsläufig, jedoch eine ernst zu nehmende Gefahr.

Die Auswirkungen von Wassermangel werden uns, vor allem im globalen Süden, auf tragische Art und Weise vor Augen geführt: 1.2 Milliarden Menschen haben keinen Zugang zu sicherem Trinkwasser, leiden unter durch verschmutztes Wasser bedingten Krankheiten, leben mit ständigem Hunger und Durst.

Wie so oft zeigt sich auch hier erst im Mangel die existentielle Bedeutung der Ressource. Dieser verbreitete regionale Mangel ist menschengemacht (anthropogen), also nicht naturbedingtes Schicksal, sondern eine Frage der Gerechtigkeit. Der durch Klimawandel bedingte Wassermangel ist eine anonyme ökologische Aggression (K. Töpfer). 70% des Süßwassers wird in der Landwirtschaft verbraucht. Auch in ariden Regionen wird wasserintensiver Anbau vorangetrieben; die Produkte enthalten viel „virtuelles Wasser“, das bei uns eingeführt wird (z. B. 15.000 l Wasser in einem Kilo Rindfleisch). Dies verstärkt das regionale Ungleichgewicht noch zusätzlich. Das 2010 verabschiedete Menschenrecht auf Wasser erkennt die Problematik der ungerechten Verteilung an. Zwar ist es zentraler Maßstab für die ethische Orientierung und in einigen Staaten, z. B Südafrika, bereits in der nationalen Verfassung verankert; angesichts der realen Entwicklung ist die Deklaration eines solchen Rechts jedoch ein hilfloser Akt, der sich nur begrenzt in einklagbares Recht umsetzen lässt. Wer garantiert, oder finanziert eine Bereitstellung einer adäquaten Versorgung mit Trinkwasser? Die Ausgestaltung des Rechts auf Wasser ist so abstrakt, dass sie wenig verbindliche Leitlinien für staatliches Handeln bietet. Das Auseinanderklaffen von Absichtserklärung und Wirklichkeit in vielen Regionen der Welt (wie im Human Development Report 2006 eindrücklich dargestellt) zeigt die zentrale Problematik der Menschenrechte. Die existentiellen Dimensionen der Ermöglichung und Bedrohung des Lebens durch Wasser hat viele Gesichter: Selbst das Knappheitsproblem kann man nur auf Grundlage regionaler Unterschiede erfassen. Wassermangel ist kein globales Problem, sondern eine Frage der Verteilung. Sparmaßnahmen in Europa können das Dürreproblem in Afrika nicht lösen. Bei Überflutungen und starken Niederschlägen sehen wir uns mit einer vollkommen anderen Struktur der Problematik konfrontiert. Darüber hinaus muss zwischen Süß und Salzwasser unterschieden werden. Die Vielfalt neuer Wasserkonflikte braucht ein differenziertes Gefüge ethischer Analysen und rechtliche Normen.

2. Wasser ist Symbol des Lebens
Wasser ist nicht nur materielle Ressource und knappes Gut, sondern auch „Symbolressource“. Religion und Mythen sowie Wassererzählungen aus unterschiedlichen Kulturkreisen können helfen, ein vertieftes Verständnis des Elements zu entwickeln. Sie fördern den achtsamen Umgang mit Wasser als Lebensquelle und Lebenssymbol. Sie sind kulturelles Gedächtnis für regional angepasstes Orientierungswissen. Über moralisch‐rechtliche Regeln hinaus braucht der Umgang mit Wasser auch eine Kultur der der Achtsamkeit und ein nachhaltiges Begreifen des Mediums in seinen ökologischen, sozialen und kulturellen Zusammenhängen: Wasser ist Grundlage des Lebens. Unser blauer Planet ist größtenteils mit Wasser bedeckt und Wasser ist eines der wichtigsten Transportsysteme der Erde. Es lässt sich nur begrenzt an Ort und Zeit fixieren. Wir Menschen brauchen die kostbare Ressource für unser körperliches Wohlbefinden und Überleben. Aufgrund dieser fundamentalen Bedeutung haben Wassererzählungen einen zentralen Platz in religiösen Mythen und Praktiken. Im Folgenden will ich exemplarisch einige Aspekte der symbolischen Bedeutung des Wassers in verschiedenen Religionen herausgreifen. 2.1 Im alten Testament und im Judentum ist Wasser Symbol der Reinheit (noch heute zu sehen bei der Mikwe, das rituelle Tauchbecken zur psychischen und physischen Reinheit) und gilt als Urelement des Lebens. Das Ideal, mit Wasser die Wüste zum Blühen zu bringen und dem jüdischen Volk ein Leben in fruchtbarer Umgebung zu ermöglichen, spielt eine zentrale Rolle für den Staat Israel und seinen Gründungsmythos. 2.2 Im Christentum steht Wasser für Fruchtbarkeit, Heilung und den Ursprung allen Lebens. Der Aspekt der Reinheit tritt hier in den Hintergrund (das Waschen der Hände des Pilatus kann die Sünde nicht entfernen – Reinheit kann nicht durch äußere Reinigung herbeigeführt werden. Darüber hinaus ist Wasser Sinnbild für ewiges Leben und Heil (Heilquellen, z.B. Lourdes). Jesus vergleicht das Wort Gottes mit einer Quelle lebendigen Wassers. 2.3 Auch im Islam spielt Wasser eine bedeutsame Rolle. Die Biographie des Propheten Mohammed ist untrennbar verbunden mit den Lebensbedingungen tribaler Gruppen auf der ariden arabischen Halbinsel. Es ist zentrales Element der rituellen Vorbereitung zum Gebet (5 Waschungen pro Tag). Wasser wird als Grundvoraussetzung für menschliches Leben klassifiziert, und muss allen Bürgern gleichermaßen für die Befriedigung der Grundbedürfnisse bereitgestellt werden: im sunnitischen Islam ist des Recht auf Durststillen eines der heiligsten verbuchten Rechte, privates Wasser muss zu diesem Zweck zugänglich gemacht werden. Wasser ist öffentliches Gut. 2.4 Im Buddhismus und Hinduismus dient Wasser ebenfalls der rituellen Reinigung; Statuen werden zu hohen Feiertagen mit duftendem Wasser gewaschen, ein gegenseitiges Bespritzen mit Wasser symbolisiert Reinheit und Lebensfreude. “Wasser, du bist die Quelle jeden Dinges und jeder Existenz” (Indisches Sprichwort) 2.5 Darüber hinaus ließen sich zahlreiche weitere Beispiele aus verschiedenen Religionen nennen. In Naturreligionen ist vor allem der Fruchtbarkeitsgedanke in Verbindung mit Wasser weit verbreitet.

3. Wasser tritt auch als Bedrohung in Erscheinung
Die bedrohliche Seite des Wassers wird in zahlreichen SintflutGeschichten reflektiert. Diese spiegeln Versuche einer kulturellen Deutung und Verarbeitung von Katastrophenerfahrungen. Aus christlicher Sicht bedarf das Schuldmotiv der kritischen Distanz. Nicht nur Wassermangel, sondern auch Überflutungen sind für zahllose Menschen bedrohlich und gefährden insbesondere in Küstenregionen Leib, Leben und Heimat von Millionen Menschen. Die Bilder von Tsunamis, Überschwemmungen und Fluten, in denen Wasser mit all seiner Macht und Unbeherrschbarkeit dem Menschen mit zerstörerischer Kraft gegenüber tritt, sowie Berichte über den bevorstehenden „Untergang“ einiger Inselstaaten (Beispiel Tuvalu) zeigen die bedrohliche Seite des Wassers. Es ist nicht nur eine schöpferische, sondern ebenso eine zerstörerische Kraft. Im Christentum sowie in vielen Mythen wird das Meer als gefürchteter, unkontrollierbarer Gegenpol zur Erde gesehen, die der Mensch sich untertan machen konnte. Es existieren mindestens 280 Sintflutberichte aus nahezu allen Kulturkreisen und Religionen, die häufig auffallende Parallelen zur biblischen Erzählung aufweisen. So kennt z. B. die alt‐isländischen Schöpfungsgeschichte (Prosa‐Edda) eine weltweite Flut, die nur der Riese Bergelmir und seine Frau überleben. Weitere Beispiele können in chinesischen und indischen Sagen, in Erzählungen der Indianer Nordamerikas sowie in der griechischen Mythologie gefunden werden. Ob die Sintfluterzählungen kollektives Gedächtnis an vergangene Naturkatastrophen gigantischer Überschwemmungen sind, ist wahrscheinlich, aber nicht eindeutig nachweisbar. Ein wiederkehrendes Motiv ist die Angst vor dem Unbekannten sowie der Katharsis‐Gedanke (Reinigung, Strafe Gottes). Es ist der Versuch, den Kräften der Natur einen (moralischen) Sinn zu verleihen. In dieser Tradition wurde der Tsunami in Japan von verschiedenen Geistlichen, aber auch von dem amtierenden Bürgermeisters von Tokio, Ishihara, als Strafe Gottes gedeutet. Dies ist eine erstaunliche Reaktivierung archaisch‐religiöser Deutungsmuster in modernen Kontexten. Aus christlicher sicht sollte allerdings differenziert werden: Bei naturbedingten Katastrophen wie Tsunamis ist eine moraltheologische Deutung kaum angemessen und höchst ambivalent. Bei anthropogen bedingten Überflutungen ist die Deutungskategorie einer kollektiven Schuld dagegen nicht von der Hand zu weisen. Christliche Geschichtsauffassung folgt häufig dem Muster der Sintfluterzählung: Zunehmende Verstrickung in Schuld, bis es zur Katastrophe kommt. Eine rechtzeitige Umkehr der Menschen ist eher die Ausnahme, aber sie ist möglich (z. B. nach den Warnungen des Propheten Jonas in Ninive, der allerdings mit Gott hadert, dass dieser die angekündigte Katastrophe dann doch nicht eintreffen lässt). Aus biblischer sicht ist die Katastrophe aber nicht das totale Ende, der Gerechte überlebt, Gott schließt mit ihm einen neuen Bund, der im Zeichen des Regenbogens die Versöhnung mit der Natur einschließt.

4. Wasser bedeutet Macht
Die Veränderung der Verfügbarkeit der Ressource kann Rückwirkungen auf gesellschaftliche Machtstrukturen haben. Ein Blick auf eine beliebige Landkarte verrät: am Wasser – am Rand von Flüssen, Seen und Ozeanen – strömen die Menschen zusammen und lassen sich nieder. Seit jeher haben sich Zivilisationen und Kulturen in unmittelbarer Nähe und im Umgang mit der kostbaren Ressource gebildet und entwickelt. Die Versorgung mit Wasser ist von jeher eine zentrale Herausforderung für Gesellschaften – unter technischen wie auch politischen Gesichtspunkten. In den Abrahamitischen Religionen, die in ariden Gebieten entstanden, ist das Bewusstsein ausgeprägt, dass Wasser kostbar und für das Gedeihen und Überleben der Gesellschaften von zentraler Bedeutung ist. Fundamentale Annahmen über die (Macht‐)politische Dimension von Wasser begründete der Soziologe Karl Wittfogel im Jahr 1962. Durch seine soziohistorische Untersuchung früher Gesellschaften prägte er den Begriff der „hydraulischen Gesellschaften“: Wo strukturelle Wasserknappheit die Lebensumstände bestimmte, wurde der Wasserbau zur Grundlage starker, autokratischer Regierungen und setzte diese voraus. Kontrolle über Wasser ist Macht und prägt Gesellschaften.

Gerade deshalb wirft die Frage nach der Wasserprivatisierung wichtige soziale und ethische Fragen auf.

Wasser ist ein öffentliches Gut und Grundelement des allen Menschen zugedachten „Lebenshauses der Schöpfung“ (Zenger). Daher solle der Zugang zu Wasser nicht von Märkten abhängig gemacht werden. Heute stellt das Management von Wasser (Zugang zu Trinkwasser, Dämme, sanitäre Einrichtungen) zentrale Punkte in der Entwicklungszusammenarbeit dar: eine sichere und saubere Versorgung mit dem Lebenselixier Wasser ist Grundvoraussetzung für nachhaltige Entwicklung, Wohlstand und Gerechtigkeit. Das (zionistische) Ideal, die Wüste zum Blühen zu bringen, ist heute mit moderner Technik und ganz unterschiedlichen kulturellem Wissenstraditionen (in Israel bes. Rückgriff auf die nabatäische Wassertropfen‐Bewässerung) zu verbinden und kann segensreich wirken. Wasserbau ist nicht nur als technische Intervention in die Natur, sondern immer auch als kulturelle Unternehmung und in seinem spezifischen kulturellen Kontext zu sehen: Wasser bedeutet Macht – Wassermangel bedeutet Ohnmacht. Dürren, ausgetrocknete Flussläufe, versiegende Grundwasserquellen zerstören Gesellschaftsformen, können aber auch Anlass für eine politische Reorganisation bieten.)

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